Stadtteilzeitung Hildesheim West
Nr. 174 · Juni 2007

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Natur- und Kunsterlebnispfad Gallberg eröffnet

Dem Himmel näher

(sbr) „Dem Himmel näher” ist der Wanderer auf dem Gallberg nordwestlich des Moritzberges in mancherlei Hinsicht. Einzigartige Ein- und Ausblicke, dazu ganz viel Himmel, begleiten ihn und führen in andere Welten, weit ab vom städtischen Alltag.

Zum intensiven Erleben lädt die Flora und Fauna der heute seltenen Kalkhalbtrockenrasen-­Landschaft ein, im Frühling und Sommer mit einer Fülle von lila und blau­roten Blüten, mit Schmetterlingen, seltenen Vögeln, Kröten und Fledermäusen. Offen zutage liegende Versteinerungen eines urzeitlichen Meeres eröffnen auf Schritt und Tritt Ausflüge in die Erdgeschichte. Spuren der menschlichen Kulturgeschichte sind in jungsteinzeitlichen Feuersteinwerkzeugen erhalten, im Namen des Bergrückens – er weist auf einen spätmittelalterlichen Richtplatz hin – wie auch in der Landschaft selbst: Der Kalkhalbtrocken- oder Magerrasen ist durch jahrhundertelange extensive Beweidung mit Vieh entstanden. Ein hinreißender Panoramablick nach Osten, Norden und Westen schließlich schärft den Blick für die Weite, lässt die Landstraße , die Autos wie Spielzeug erscheinen und erhebt über die Enge der nahen Stadt.

Foto:Sabine Brand
Vom Meer zum Kalkberg” – mit Panoramablick, heißt eine der 17 Stationen des frisch angelegten Erlebnispfades am Gallberg, von Hacer Gürel am Gymnasium Himmelsthür gestaltet

Dem Himmel näher” heißt auch eine der Stationen des Naturerlebnispfades Gallberg, der Ende Mai mit einem „Bergfest” eröffnet wurde. Die Untere Naturschutzbehörde der Stadt Hildesheim hat in Zusammenarbeit mit dem Hildesheimer Ornithologischen Verein und der Paul-­Feindt-­Stiftung eine Broschüre, den „Taschenbegleiter Gallberg” herausgegeben, mit dem der Erlebnispfad selbständig erwandert werden kann. Unterstützt haben dabei die Niedersächsische Lottostiftung, die Sparkasse Hildesheim und der Naturschutzbund, Kreisverband Hildesheim.

Ein besonderes Engagement macht zur Zeit das Naturerlebnis am Gallberg auch zum Kunsterlebnis. Schülerinnen und Schüler des zwölften Jahrgangs am Gymnasium Himmelsthür haben mit ihrem Kunstlehrer Rolf Behme an den 17 Stationen des Rundgangs Skulpturen gestaltet. An schweren Eichenholzpfählen in die Landschaft eingefügt thematisieren sie die naturkundlichen, geologischen und kulturgeschichtlichen Besonderheiten des Gallbergs mit künstlerischen Mitteln. Von der ersten Station „Naturerbe Europas: Der Gallberg” bis zur 17. Station „Quellenberg” schreitet der Wanderer die Länge des Bergrückens auf verschiedenen Höhen dreimal ab und entdeckt nach dem Halbtrockenrasen auch die Streuobstwiesen, die Wegraine, die Bördeackerlandschaft und den Finkenberg.

Der Gallberg ist seit 1976 als Naturschutzgebiet ausgewiesen, er grenzt an das Naturschutzgebiet „Finkenberg”. Seit 2004 wird er als Teil des Flora-­Fauna-­Habitat-­Gebietes „Haseder Busch, Giesener Berge, Gallberg, Finkenberg” als europäisches Naturerbe gewürdigt.

Foto:Sabine Brand
Die neue Informationstafel am Fuß des steilen Aufstiegs zum Naturerlebnispfad Gallberg gibt einen ersten Einblick in das Naturschutzgebiet

Seit 1978 pflegt der Ornithologische Verein zu Hildesheim e.V. die städtische Fläche, 1992 wurde ihm diese Aufgabe offiziell übertragen. Viele Helfer sind tätig, um das typische Erscheinungsbild des Kalkhalbtrockenrasens zu erhalten. Dieser Vegetationstyp ist auf den Kalkhängen Südniedersachsens durch die Nutzung als Weideland bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Durch Verbuschung, Aufforstung und durch Umwandlung in Acker- oder Grünland ist der größte Teil davon verloren gegangen. Um den Magerrasen am Gallberg zu bewahren, arbeiten der Ornithologische Verein, der BUND, Landwirte und das Gymnasium Himmelsthür zusammen.

Seit etwa 15 Jahren werden Rinder, Schafe und Ziegen zur Pflege eingesetzt. Günter und Martin Gärtners Burenziegen aus Emmerke fressen die Sträucher am Hang ab, cirka 120 Schafe halten die Wiesen kurz. Heinrich Köhler aus Sorsum setzt seine Rinderrobustraße zur Beweidung ein. Die schwierigste Aufgabe für die Viehzüchter ist das Aufstellen und Versetzen der Zäune in dem unwegsamen Gelände mit dem typischen dornigen Gebüsch.

Foto:Sabine Brand
Foto:Sabine Brand
Durch die Zusammenarbeit vieler Menschen und Tiere wird das Naturschutzgebiet Gallberg gepflegt, erklärt Maren Burgdorf vom Ornithologischen Verein. Dabei werden auch Bauer Heinrich Köhlers Rinder zur Beweidung eingesetzt.

Die Beweidung reicht nicht aus, um das über vierzig Hektar große Biotop instandzuhalten. „Der Berg könnte mehr Ziegen gebrauchen”, stellt Günter Gärtner fest. „Aber es gibt in Hildesheim keinen Markt für Ziegenfleisch.” Im Herbst und Winter ist daher zusätzliche Arbeit nötig. Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte des Gymnasiums Himmelsthür räumen mit den Landwirten, Mitgliedern des Ornithologischen Vereins und der Naturschutzbehörde an einem jährlichen Umweltaktionstag große Gebüschmengen ab. Landwirt Köhler greift bei der groben Arbeit mit der Kettensäge an, die Schüler schichten Steinriegel aus den offen liegenden verwitternden Kalksteinen auf – ein wichtiger Lebensraum für Eidechsen, Blindschleichen und Nattern. Auf den städtischen Ausgleichsflächen am Gallberg – als Ausgleich für Naturzerstörung durch Neubaugebiete am Stadtrand gedacht – werden Obstbäume gepflanzt. Auch andere Schulen, Jugendfeuerwehren und private Helfer sind im Laufe der Jahre an diesen Arbeiten beteiligt gewesen. Zwischen 1.000 und 1.500 Arbeitsstunden jährlich kommen dabei zusammen.

Bei der Eröffnung des Erlebnispfades war ein weiterer Kooperationspartner darum bemüht, den Besuchern die Naturwunder des Gallberges nahe zu bringen. Der BUND, Kreisgruppe Hildesheim, stellte Wildpflanzen vor, die typisch für Magerrasen sind: die Flockenblume, die Rote Lichtnelke, das Fingerkraut, den Gamander-­Ehrenpreis. Hinzu kommen seltene Pflanzen wie der Deutsche Enzian und Orchideen wie das Knabenkraut und die Ragwurz. Speziell angepasst an diese Vegetation sind Schmetterlinge wie der Schachbrettfalter und der Silbergrüne Bläuling. Der Schutz der Schmetterlinge ist in diesem Jahr ein besonderes Anliegen des BUND.

Die Pflanzen- und Tierwelt am Gallberg ist außergewöhnlich vielfältig, so Matthias Köhler vom BUND – und wunderbar aufeinander abgestimmt, wie die Biologen auf den Führungen am Eröffnungstag zeigten. Diese Naturwunder sind nicht spektakulär, sie erschließen sich erst aus nächster Nähe – nur ein paar Schritte von der Stadt entfernt, dem Himmel etwas näher.

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