Stadtteilzeitung Hildesheim West
Nr. 246 · März 2014
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Gelände an der Pappelallee gründlich saniert

Es war höchste Zeit zu handeln

(sbr) Die ehemaligen Sportplätze an der Pappelallee sind fast fertig saniert. Alle mit dem hoch giftigen Dioxin belasteten Bodenschichten wurden in den letzten Monaten abgetragen. Das Erdreich mit den gefährlichsten Konzentrationen ist bereits auf Deponien gebracht. Bis Mitte März wird der gesamte Aushub abgefahren sein. Bis dahin werden auch die Gräben und Löcher, die durch die Bodenabtragung entstanden sind, mit unbelastetem Boden wieder aufgefüllt.

1991 waren die Bodenvergiftungen auf dem Sportplatzgelände bekannt geworden. Bundesweit hatte die Firma Balsam AG in den 1960er Jahren Kupferschlacke aus dem zweiten Weltkrieg als „Kieselrot“-Belag für Sportplätze verkauft. In der Schlacke ist das sogenannte Seveso-Gift Dioxin hoch konzentriert.
BlauweissMöglichst gesunde Bodenverhältnisse wieder herzustellen – nach 50 Jahren ist das auf der alten Blau-Weiß-Sportanlage fast geschafft
Fotos (2): sbr
Die Entsorgung dieser Beläge als Sondermüll stellte die betroffenen Gemeinden vor große finanzielle Probleme. Hildesheim – mit nur einem Sportplatz betroffen – zögerte länger als die meisten anderen, das Problem anzugehen – 20 Jahre lang. Die Entsorgung wurde dadurch um ein Vielfaches teurer. Sie wird nun durch Fördermittel vor allem aus dem Projekt „Stadtumbau West“ bewältigt, das zehn Jahre lang den Umbau auf dem Phoenix-Gelände und in seiner Umgebung zum Ziel hat.

Der Umgang mit den belasteten Sportplätzen war seit Anfang der neunziger Jahre immer laxer geworden – nach und nach wurden sie wieder voll bespielt. 2008 wies ein Gutachten nach, dass das Dioxin aus dem „Kieselrot“-Belag in tiefere Bodenschichten eingedrungen war. Im Frühjahr 2009 zog Stadtbaurat Dr. Brummer die Notbremse und ließ die Sportplätze endgültig schließen, der Verein Blau-Weiß musste umziehen.

Im Oktober 2013 gingen die Sanierungsarbeiten nach sorgfältigen Planungen und Ausschreibungen an. Sie waren so angelegt, dass die Moritzberger Wohnstraßen durch das Ausbaggern, Zwischenlagern und Abfahren kaum belastet würden. Den Zuschlag für die Sanierung bekam die Firma Bauer Umwelt GmbH. In der Ausschreibung des Vorhabens war auch eine zusätzliche fachgutachterliche Begleitung der Sanierungsarbeiten festgelegt. Sie sollte durch einen unabhängigen Gutachter erfolgen, der nicht zu der mit den Erdarbeiten beauftragten Firma gehört. Diese Absicherung übernahm die M&P Geonova GmbH in Hannover.

Seit Oktober 2013 ist ständig ein Geowissenschaftler von M&P vor Ort, entnimmt Proben von dem Aushub der Bagger und von dem freigelegten Boden, wertet aus und bestimmt, ob noch tiefer ausgebaggert werden muss.
StadtbauratStadtbaurat Kay Brummer und Fachgutachterin Aglaia Nagel stehen für das sorgfältige Vorgehen bei der Bodensanierung
Dabei, so gab kürzlich Stadtbaurat Kay Brummer bekannt, wurden Belastungswerte gemessen, die alle Befürchtungen noch übertrafen. In der Laufbahn wurden bei Schürfproben mit dem Bagger Werte bis zu 69.980 Nanogramm Dioxin pro Kilogramm Trockenmasse ermittelt. Das ist ein sehr sehr hoher Wert – 100 Nanogramm/kg dürfen seit Anfang der 1990er Jahre auf Spielplätzen nicht überschritten werden, die gemessenen Werte liegen um 70-mal höher. Pauschal 62.000 Nanogramm waren im Sommer 1991 bei der Erstuntersuchung der Laufbahn festgestellt worden – damals war das einer der höchsten Werte auf niedersächsischen „Kieselrot“-Flächen (HAZ 21.6.1991, Moritz vom Berge Juli/August 1991). Die Messung vom Winter 2013/14 liegt – 23 Jahre später – noch darüber.

Während der Sanierungsarbeiten stellte sich heraus, dass die Kupferschlacke-Belastung tiefer reichte als bisher angenommen, bis in die flächendeckende Kalkschotterschicht unter der Sportanlage. Dort waren flächige rote Schichten zu finden und Belastungen mit circa 1.500 Nanogramm Dioxin. Deshalb musste auch diese Schotterschicht ausgebaggert werden. Bis zu 15 Zentimeter Dicke hatte der „Kieselrot“-Belag, etwa 15 Zentimeter die Kalkschotterschicht darunter; in der Laufbahn ging der Bagger noch einmal tiefer, denn dort lagen Drainageleitungen – auch rot verfärbt. Im nördlichen Bereich des Hartplatzes waren die Dioxin-Werte stellenweise unerwartet hoch, dort machten Ablagerungen in den Büschen Kopfzerbrechen. Möglicherweise hängen sie zusammen mit der versuchten Hartplatzsanierung im Sommer 1997 (Moritz vom Berge Juli/August 1997 und April 2009).

Die gutachterlichen Begleiter haben den Boden solange beprobt, bis er unter 100 Nanogramm Dioxin/kg aufwies. Seit zum Beispiel 50 Einstiche, zehn Zentimeter tief, im Bereich der ehemaligen Tribüne hinter der Laufbahn Werte von durchschnittlich nur noch 34 Nanogramm zeigen, gilt dieser Bereich als saniert. Abschnitt für Abschnitt ist so bereinigt worden. „Das haben wir sehr ordentlich gemacht“, erklärt Aglaia Nagel, Geowissenschaftlerin der M&P Geonova GmbH, mit Stolz.

Durch die unvorhergesehen starke Bodenbelastung hat sich der Umfang der Arbeiten deutlich erhöht. Nicht 22.000 Tonnen Erdreich werden wie geplant abgefahren, sondern insgesamt 33.000 – die Hälfte mehr. Stadtbaurat Brummer zufolge sind die Kosten gedeckt – klugerweise hatten die Planer Spielraum für höhere Kosten gelassen. Es gab auch Stellen auf dem Gelände, die nicht so hoch belastet waren wie gedacht, bestätigt Frau Nagel. Die gutachterliche Begleitung jedes Baggereinsatzes hat sich als sehr sinnvoll erwiesen.

Auch für die Gutachterin ist schlimm, dass eine große Anzahl Bäume gefällt werden musste, insbesondere an der Westseite des Hartplatzes parallel zum Kupferstrang. Große Wurzelballen liegen bereit zum Abholen für die Lastwagen – auch dies als Sondermüll wegen der gemessenen Belastungen. Hätte man die Bäume stehen gelassen, erklärt Frau Nagel, wäre 1,50 Meter entfernt vom Umkreis der Baumkrone für den Bagger Stopp gewesen. Sehr belastetes Erdreich wäre dann liegen geblieben – und im Laufe der Zeit weiter verteilt worden.

Die Geowissenschaftlerin hat bereits Stichproben des Bodens untersucht, der nach der Abfuhr des vergifteten Aushubs aufgefüllt wird: in alle Gräben wie die etwa 50 Zentimeter tief ausgehobene Laufbahn, auf alle Flächen und in alle Löcher, die ausgebaggert wurden. Mit dem Ergebnis der ersten Stichproben ist die Gutachterin zufrieden. Nach dem Auffüllen auf das ursprüngliche Geländeniveau wird Rasen eingesät. Dann haben die Schützenwiesen, nach 50 Jahren schwerster Belastung durch Giftstoffe, für eine Weile Zeit, sich zu erholen. Aus der langjährigen „Sondermülldeponie“ wird später voraussichtlich Bauland werden. Vorher aber könnte der Stadtteil die sorgsame, nachhaltige und teure Wiederherstellung seiner Grünflächen an der Pappelallee mit einem Fest feiern!
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